Dienstag, 25. November 2014

PS Klinik - Nachtschicht: das Gespräch mit dem Pfleger

Ich war also wieder im Haus, und kaum das ich sag, das der Pflegestützpunkt abgeschlossen war (wegen Übergabe), wurde ich ganz ruhig. Es war, als fiele die Angst einfach so ab von mir. Zudem war es hier drin mollig warm, endlich kein kalter Wind, der mir das Gesicht gefrieren ließ. Ich ging in den Aufenthaltsraum, wo der Fernseher lief, und fand eine junge Frau vor, die auf dem 2-Sitzer hockte und mich groß ansah. Sie sagte:
"Man sieht dir an, das du schon viel durchgemacht hast in deinem Leben."
Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte darauf auch nicht wirklich eingehen. Die Nervosität war nämlich noch immer gegenwärtig, denn ich wollte das Gespräch mit der Hexe einfach hinter mich bringen.
Ich ließ mich neben der jungen Frau nieder, als diese mit der Hand auf den Platz neben sich klopfte und mich bat, mich zu ihr zu setzen. Wir redeten ein bißchen, sie erzählte mir von sich und ihrem Schicksal. Das traf mich so unvermittelt, so hart, und ihre Tränen taten mir so leid, das ich sie in den Arm nahm. Keine zehn Minuten zuvor noch wäre ich es gewesen, die wie ein Häufchen elend den Arm eines anderen gesucht hätte, den Tränen nahe vor lauter Angst und Verzweiflung.

Es dauerte eine gute halbe Stunde - mittlerweile war es fast halb elf - bis die Tür des Pflegestützpunktes endlich geöffnet wurde. Ich saß wieder im Aufenthaltsraum, als die Hexe und ein Mann auf mich zukamen. Der Mann ließ sich auf dem aneckenden 3-Sitzer nieder und stellte sich vor. Daraufhin sagte die Alte:
"Und wie heiße ich?" und sah mich wieder mit diesem beknackten Blick an, von unten nach oben, mit einem aggressiven Funkeln in den Augen. Ich zuckte die Schultern, mittlerweile war ich vollkommen ruhig geworden. Das Gespräch mit der jungen Frau
hatte mir irgendwie gut getan, hatte mich in meinem Entschluss noch bestärkt.
"Ehrlich gesagt," antwortete ich der Alten, "weiß ich das nicht. Ich habe heute so viele Namen gehört, ich habe mir keinen einzigen merken können. Ich bin einfach nur groggy."
Dann sah die Hexe den Pfleger an und sagte:
"Ich glaube, ich habe mich gar nicht vorgestellt. Weißt du noch.... blablabla." Sie hielt einen Monolog darüber, das sie immer wieder vergaß, sich dem Gegenüber namentlich vorzustellen. 'Boah, mach die Luke dicht, Alte!' dachte ich nur. Es dauerte noch knapp zehn Minuten, ehe die Hexe sich dann endlich in den Feierabend verabschiedete und - wieder an mich gewandt und mit einem gehässigen Tonfall in der Stimme - zum Abschied sagte:
"Dann bis Montag, dann sehen wir uns wieder. Wenn Sie noch so lange durchhalten." Was ich in diesem Moment am liebsten mit ihr gemacht hätte? Das, was ich auch wirklich getan habe: sie einfach offen angesehen, mit einem festen Blick, ausdruckslos. Ich dachte nur: 'ist die blöse, die Alte' und war froh, als sie endlich weg war.

Währenddessen sah mich der Pfleger an. So, als begutachte er meinen Zustand. Ha! als wenn der das beurteilen könnte, kannte er mich doch so gar nicht, wußte nichts von mir. Dann sagte er:
"Sie wollen also wieder nach Hause?" und begann, irgendwas zu labern. Er war ganz nett, aber auch nur so ein Laberhannes, der alles daran setzen wollte, das ich meinen Entschluss zu gehen wieder fallenließe. Letztendlich kam die Sprache auf die SD-OP. Daraufhin sagte er:
"Man kann auch gut ohne Schilddrüse leben."
In diesem Moment war mir klar, das ich anderntags auf jeden Fall dieses Haus verlassen würde. Ich dachte bei mir: 'dann lass dich doch operieren und dir die Schilddrüse entfernen, und dann reden wir weiter.' Ist nur leeres Gerede, was ich zu hören bekam. Dinge über ein hartes Leben, das man das in den Griff bekommen kann, wenn man sich hier in die Gruppe integriert, sich im Haus einlebt, sich helfen läßt... Ja, nee, ist klar, so war das ja an sich auch gedacht. Aber jetzt eben nicht mehr.
"Ich bin nicht bereit dafür, hier zu bleiben. Ich denke, ich sollte erst das körperliche angehen, und dann sehe ich weiter."
Der Pfleger sprach darüber, das hier im Haus ja auch somatische Ärzte wären. Und die Uniklinik ist ja hier, da könnte man in den Fachabteilungen dann auch Hilfe erwarten, wenn es nötig wäre... In einem Ton, als wolle er mir das alles nochmal schmackhaft reden. Zu spät.
Die Unterhaltung dauerte gute zwanzig Minuten. Die Wärme hier lullte mich ein, und ich wollte lieber noch ein wenig an die Luft. Ich verabschiedete mich von dem Herren, den ich natürlich an diesem Abend nochmal sehen sollte, immerhin hatte er ja erst jetzt den Dienst angetreten.

Bevor ich vor die Tür ging, sagte er, es könne gut sein, das die Nacht über die Tür zum Zimmer aufgehen und er hineinsehen würde. Ich zuckte die Schultern. Nichts anderes hatte ich erwartet, immerhin war dies hier nur ein besseres Krankenhaus. Doch kaum hatte er diesen Umstand erwähnt, sagte er:
"Meistens komme ich allerdings nicht gucken. Wenn ich nichts höre, dann gehe ich davon aus, das die Leute schlafen. Dann komme ich nicht ins Zimmer, um sie nicht zu wecken. Wenn was sein sollte, dann kann man ja auch klingeln."
Er zeigte mir den Drücker, der über dem Bett hing - wie im Krankenhaus eben.
"Aber nicht einfach so drücken, sonst muß ich ja wegen nichts kommen." Er lächelte. Sollte wohl ein Witz sein.
Ich nickte in einer Tour, mein Kopf war meinem Körper schon voraus geeilt. Dann verabschiedete ich mich nochmals von dem Pfleger, der meinen Entschluss so gar nicht hatte beeinflussen können, und ging ab vor die Tür.

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